BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kaiser Heinrich VI.

1165 - 1197

 

 

Minnelieder

 

um 1184/86

 

Text:

Minnesangs Frühling (MF)

Hrsg.: K. Lachmann/M. Haupt u.a.,

Leipzig/Stuttgart 1875/1959

 

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Lied I (MF 4,17)

 

Wol hoeher dannez rîche    bin ich al die zît

sô sô güetlîche    diu guote bî mir lît.

si hât mich mit ir tugende    gemachet leides frî.

ich kom ir nie sô verre    sît der zît ir jugende,

5

irn wær mîn stætez herze    ie nâhe bî.

 

«Ich hân den lîp gewendet    an einen ritter guot.

daz ist alsô verendet    daz ich bin wol gemuot.

daz nîdent ander vrouwen    unde habent des haz

und sprechent mir ze leide    daz sin wellen schouwen.

10

mir gevíel in al der welte    nie nieman baz.»

 

 

Lied II (MF 4,35)

 

«Rîtest du nu hinnen,    der aller liebste man,

der beste in mînen sinnen    für al deich ie gewan.

kumest du mir niht schiere,    sô vliuse ich mînen lîp:

den möhte in al der welte

5

got niemer mir vergelten»    sprach daz minneclîche wîp.

 

Wol dir geselle guote,    deich ie bî dir gelac.

du wonest mir in dem muote    die naht und ouch den tac.

du zierest mîne sinne    und bist mir dar zuo hold:

nu merke et wiech daz meine:

10

als edelez gesteine,    swâ man daz leit in daz golt.

 

 

Lied III (MF 5, 16)

 

Ich grüeze mit gesange die süezen

die ich vermîden niht wil noch enmac.

deich si réhte von munde mohte grüezen,

ach leides, des ist manic tac.

5

swer disiu liet nu singe vor ir

der ich gár unsenfteclîchen enbir,

ez sî wîp oder man, der habe si gegrüezet von mir.

 

Mir sint diu rîche und diu lant undertân

swenn ich bî der minneclîchen bin;

10

unde swénne ab ich gescheide von dan,

sost mir ál mîn gewalt und mîn rîchtuom dâ hin;

senden kúmber den zele ich mir danne ze habe:

sus kan ich an vröuden ûf stîgen joch abe,

unde brínge den wehsel, als ich wæn, durch ir liebe ze grabe.

 

15

Sît deich si sô herzeclîchen minne

unde sí âne wenken alzît trage

beid in dem herzen und ouch in sinne,

underwîlent mit vil maniger klage,

waz gît mir dar umbe diu liebe ze lône?

20

dâ biutet si mirz sô wol und sô schône:

ê ich mích ir verzige, ich verzige mich ê der krône.

 

Er sündet sich swer des niht geloubet,

ich möhte geleben mangen lieben tac,

ob joch níemer krône kæme ûf mîn houbet;

25

des ích mich ân si niht vermezzen enmac.

verlüre ich si, waz hette ich danne?

dâ töhte ich ze vröuden noch wîbe noch manne

unde wære mîn bester trôst beidiu zâhte und ze banne.